Am Psychodrama begeistert uns der Grundgedanke, dass in jedem Menschen von Geburt an ein kreatives Potential steckt, das es ein Leben lang zu entwickeln und zu pflegen gilt, und dass wir Menschen grundsätzlich `soziale Wesen´ sind, die so lange sie leben, auf andere Menschen und Gruppen angewiesen bleiben. Dementsprechend können wir auch nur im Kontext unserer sozialen Bezugsysteme verstanden werden. Durch die uns innewohnende Kreativität entwickeln wir in der Begegnung mit anderen Menschen unterschiedlichste Rollen. Diese können, abhängig von den Entwicklungsbedingungen, die wir haben, sehr vielfältig, aber auch sehr eingeschränkt sein und sich, je nachdem, in welcher sozialen Umgebung wir uns befinden, entfalten oder gehemmt werden.
Ziel der psychodramatischen Arbeit ist es, diese Kreativität zu fördern und gehemmte Kreativität wieder zum Leben zu erwecken. Indem das Psychodrama die Seele durch Handeln ergründet, geht sie über die sprachliche Ebene weit hinaus: Im selbsterfahrungszentrierten oder therapeutisch eingesetzten Psychodrama wird das Erlebte mit Symbolen oder Rollenspieler*innen aufgestellt oder spielerisch inszeniert. Auch die Inszenierung von Träumen, Zukunftsvisionen und Wunscherfüllungsszenen kann im psychodramatischen Spiel dazu beitragen, dass ein Erleben des sog. `wahren zweites Mals´ zur Befreiung von dem wird, was uns beim ersten Mal, als wir es ursprünglich erlebt haben, belastet oder auch traumatisiert hat. Mit diesem handlungs- und erlebnisorientierten Vorgehen können Situationen körperlich und emotional intensiv nach- oder auch neu erlebt und damit ganzheitlich integriert werden. Dies kann die Veränderung von alten Empfindungs-, Denk- und Verhaltensmustern ermöglichen und neue Sicht- und Handlungsmöglichkeiten eröffnen.
Was wir am Psychodrama besonders schätzen, ist die Vielfalt seiner Techniken und seiner Einsatzmöglichkeiten. Es eignet sich nicht nur, wie oben beschrieben, für den Bereich der Selbsterfahrung und den therapeutischen Einsatz. Auch im beraterischen, pädagogischen und Erwachsenenbildungsbereich bietet es, ebenso wie in den Bereichen Organisationsentwicklung, Training und Supervision, ein schier unerschöpfliches Reservoir an Techniken und Handwerkszeug, um Gruppenprozesse, je nach Zielsetzung, kreativ und lebendig zu gestalten oder prozessorientiert zu begleiten.
Sein volles Potenzial entfaltet das Psychodrama im Gruppensetting, in dem es möglich ist, dass Gruppenteilnehmende die Rollen der für uns wichtigen Bezugspersonen (oder anderer Systemelemente) übernehmen und wir diese `aufstellen´ oder im Rollenspiel lebendig erfahren können. Die vorhandenen und unbewusst wirkenden Strukturen einer Gruppe können mit den Methoden der Soziometrie, die das Psychodrama beinhaltet, untersucht, und damit bewusst und veränderbar gemacht werden. Im Einzelsetting können viele der Psychodramatechniken in modifizierter Form eingesetzt werden, z. B. indem Beziehungssysteme, oder auch das innere Erleben, mithilfe von Stühlen oder Symbolen dargestellt und ggf. mit Hilfe der Therapeut*in im gemeinsamen Rollenspiel zu zweit belebt und ergründet werden.